Wo sich die Höhenrücken des Siegerlandes und des hessischen Landesteiles fast berühren, liegt auf einer Anhöhe der Ortsteil Irmgarteichen. 750 Jahre besteht dieser Ort, wie aus einer Urkunde vom 30. August 1270 hervorgeht, in der Frederico de Irmengartechen als Ratsherr der Stadt Siegen genannt wird.
Ersterwähnung / Urkundliche Erwähnungen
Der Ort Irmgarteichen gehört mit zu den ältesten Ansiedlungen des Siegerlandes. Über seine Entstehung liegt kein authentisches Material vor. Jedenfalls sind die Entstehung des Dorfes und die der Kirchengemeinde aufs engste miteinander verknüpft. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass alle aus alten Zeiten stammende Papiere, die heute Aufschluss hätten geben können, zur Zeit der Reformation, in der die Pfarrei Irmgarteichen einen schnellen Wechsel von Pfarrern – lutherischen, reformierten und katholischen – erlitt, verloren gegangen sind.
Beim Landesarchiv werden Schriftstücke aufbewahrt.
Die urkundliche Ersterwähnung Irmgarteichens stammt vom 30. August 1270. Anzunehmen ist jedoch, dass der Ort mit Sicherheit viel älter ist. Wie alt, weiß keiner. Interessant und bemerkenswert ist, dass Irmgarteichen seit 1270 in den unterschiedlichsten Schreibweisen urkundlich genannt wurde:
Yrmengardechin
Irmertheichen
Irmengarten Eichen
Yrmgarteychin
Eringardeich
Irmengarteyehen
Yrmegartheych
u.a.
Aus dem Mittelalter:
Schon in heidnischer, spätestens aber beim Übergang zur christlichen Ära muss sich auf der Chorseite der heutigen Kirche eine alte Begräbnisstätte befunden haben, wie die Funde (zwei Sockel alter Begräbnisurnen) es beweisen. Somit kann mit Sicherheit angenommen werden, dass hier das erste Kirchlein aus Holz gestanden hat – vom „Stift“ aus gesehen, „auf dem nahegelegenen Hügel“, wie die Sage berichtet. Der Kirchplatz hatte ein direktes Gefälle zum Weiher unten im Tal und zum Stift.
Ein Ablassbrief der Bischöfe zu Avignon aus dem Jahr 1325 nennt eine Kapelle „zu Irmegartheichen, geweiht der hl. Cäcilia“. Und eine weitere Urkunde vom 26.07.1328 benannte einen „Heinrich Vicepfarrer in Irmengarteychen“. Dann finden sich fortlaufend Urkunden, in denen Kirche und Pfarrer zu Irmgarteichen genannt werden.
Beredte Zeugen der Vergangenheit:
Irmgarteichens Geschichte ist aufs engste mit dem Geschlecht „derer vom Hain“ und später mit den ihm verwandten „Herren von Bicken“ im benachbarten Hainchen verknüpft. Mit den Herren von Bicken können zahlreiche Pfarrkirchen in der Umgebung nachgewiesen werden, darunter als erstes die Kirche zu Irmgarteichen im Jahr 1344. 1349 erklärte der Pfarrer von Irmgarteichen zusammen mit seinen Kollegen aus Krombach, Ferndorf, Holzklau, Oberfischbach, Rötgen und Hilchenbach die Unterwerfung unter den Erzbischof Gerlach von Mainz. Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Pfarrer zum Hause Bicken werden auch 1382 in einem Vergleich unterstrichen, an dem ein „Johann“, Pfarrer zu Irmgarteichen, teilnahm.
Mühle für fünf Malter Korn gepachtet:
Eine Urkunde aus dem Jahre 1400 bezeichnet Pfarrer Johann als einen Bruder des Heinz, der ein Sohn des „Ensel von Deuz“ war. Er beurkundet im genannten Jahr, dass die Herren von Bicken den großen Zehnten zu Irmgarteichen dem Altaristen oder einem Pfarrherrn daselbst gegeben hätten. In einer letzten Nachricht über diesen Pfarrer ist in einer am 20. April 1416 ausgestellten Urkunde die Rede. Bekannt ist auch, dass er für jährlich fünf Malter Korn die Gräfliche Nassauische Mühle zu Irmgarteichen gepachtet hatte.
Gegen Ende des Mittelalters entstand eine Kirche aus Stein, gegründet von den Brüdern von Bicken, den Besitzern des Haincher Schlosses. Auch dieser Kirchenbau war mit Sagen umwoben. Nach einer Gefangenschaft erbauten sie an der Stelle der alten Holzkapelle eine Kirche aus Stein. Von diesem Kirchlein kündet noch heute der steinerne Ritteraltar, der in der Taufkapelle der heutigen neuen Kirche aus dem Jahr 1933 untergebracht war. 1995 erhielt das Epitath nach abgeschlossener Restaurierung des Kirchenraums einen Platz im vorderen Bereich des Kirchenschiffs. Das Kunstwerk der Spätrenaissance nimmt eine Sonderdarstellung im Rahmen des bildnerischen Schmucks vergangener Jahrhunderte ein.
Ferner finden wir in den spätmittelalterlichen Urkunden des öfteren die Bezeichnung von den Bewohnern im „Stiftergut“. Dass dort ein beachtenswertes Gebäude gestanden hat, besagt eine Urkunde aus dem Jahr 1466, dass „das zum Hane, gen. Königshaus, weiher und freiheit zum H., gut an die Kirch zu Irmgarteich gegeben“. Zu dieser Besitzung gehörten wahrscheinlich auch die Mühle (Müllersch), die Schmiede (Schmiddeborn bei Stohls) und sie grenzte an dicken Linden im Süden (Lindes) und einen Eichenwald im Osten (Eicherts). An die Weideflächen für die Schafherde erinnert heute noch die Bezeichnung „am Schafweg“.
Auch will man bei Erweiterungsbauten der Scheune des Tampeschen Hofes, der heute auf diesem Platz steht, auf dicke Mauerreste gestoßen sein. Die Bewohner des Ortes jener Zeit lebten unter ärmlichen Verhältnissen von der kleinen Landwirtschaft mit ihren nur kärglichen Erträgen. Auch die Köhlerei und Glockengießerei wurde eifrig betrieben, hauptsächlich in der Gemarkung der damaligen Gastwirtschaft Schmitt bis zum Heiligenhäuschen (Heimels) auf der Höhe des Gernsdorfer Kirchweges.
Nicht mit großen Reichtümern gesegnet:
Irmgarteichen ist mit 250,87 ha Gemarkungsgröße relativ klein und somit nicht mit großen Reichtümern gesegnet. Dennoch entwickelte sich gerade
„i Hermedeiche“ eine blühende Landwirtschaft bis Mitte der 1970er Jahre. Die alljährlichen Tierschaufeste hatten bis zu diesem Zeitpunkt nicht von ihrer Romantik eingebüßt.
Der Wanderer, der heute offenen Auges und mit aufgeschlossenem Sinn seinen Schritt die Anhöhe hinauf lenkt, wird nur noch wenige Fachwerkwinkel antreffen, die Spuren einer neuen Bauentwicklung haben sich deutlich abgezeichnet. Trotz vieler Neuerungen im kommunalen und wirtschaftlichen Leben ist manches noch ursprünglich und rein geblieben. Bräuche zum ersten Mai und zu anderen weltlichen und kirchlichen Festtagen werden auch noch heute zelebriert.
Einwohnerzahlen
1461 4 Steuerzahler
1563 23 Steuerzahler und 20 Häuser
1818 203 Einwohner und 29 Häuser
1910 258 Einwohner und 39 Häuser
1945 467 Einwohner
1960 506 Einwohner
1970 606 Einwohner
1984 792 Einwohner
1995 862 Einwohner
2019 813 Einwohner
Die bekannteste und schönste Entstehung des Ortes und Ortsnamens ist in der folgenden Sage aufgezeichnet:
Es lebte in einem Stifte, das „dere zum Hayn“ gehörte, eine gottselige Jungfrau aus adeligem Geschlechte, mit Namen „Irmgart“. Als diese einst von einer schweren Krankheit heimgesucht wurde, gelobte sie, Gott zur Ehre auf dem nahegelegenen Hügel eine Kirche aus Eichen erbauen zu lassen. Nach Wiedergenesung löste sie ihr Versprechen ein.
Und somit war der Begriff Irmgarteichen geboren.
Auch der Ort, der nach und nach um die Kirche entstand, bekam zum ewigen Zeichen den schönen Namen: Irmgarteichen. Ob diese heiligmäßige Jungfrau in irgendeiner Form mit dem Geschlecht der von
Hain und einer ihrer Herrinnen zusammenhängt, ist geschichtlich nicht nachweisbar. Jedenfalls war Irmgarteichen im Lande die einzige einer Frau – St. Cäcilia – geweihte Pfarrkirche. Auch ist diese Ansicht über die Entstehung des Ortes eher und richtiger vertretbar als jede andere, deuten doch heute noch viele Bezeichnungen in- und außerhalb des Ortes auf einen Stift hin, wie z.B. Altstift und Neustift und die Bezeichnung des unteren Ortsteiles noch mit „im Stift“. Auch die oben aufgeführten urkundlichen Erwähnungen lassen einen Zusammenhang erkennen.
Früher hatte die Gemeinde Irmgarteichen eine große (kirchliche) Bedeutung, die Pfarrei war bis 1349 von Netphen abhängig und erschien laut Aufzeichnungen ab dann gleichberechtigt zu sein. 1725 wurde auf dem Grund der alten Kirche eine neue errichtet.
Die Fachwerkfassaden des Dorfkerns sind heute größtenteils verkleidet. Der Kirchturm ist bis heute unverändert. Nur das Kirchenschiff präsentiert sich hier von der alten Form, in der es bis 1933 zu sehen war. Die Einwohnerzahl ist von 230 um die Jahrhundertwende, auf über 813 Einwohner im Jahr 2019 angewachsen.
Text und Fotos: Heinrich Bruch