Von ihrem Lieblingsort aus genießt Christa Reuter den Blick über ganz Irmgarteichen. Oft geht sie am Waldrand spazieren.
Irmgarteichen. Christa Reuter zog aus Siegen weg – nach Irmgarteichen. Bereut hat sie es nie
Der Kies knirscht unter den Schuhen. Die Luft ist frisch, aber es ist einer der ersten Tage im Jahr, an denen der Wind lauwarm über die Felder von Irmgarteichen streicht. Christa Reuter trägt Wanderschuhe und eine warme Jacke. Sie streicht sich ihre Haare aus dem Gesicht und zeigt auf ein Feld etwas über ihrem Kopf. „Hier ist es sehr ländlich. Da oben ist unser Osterfeuerplatz“, unterbricht sie. Zehn Minuten läuft man zu ihrem Lieblingsplatz, der „langen Bank mit der schönen Aussicht“. Ein wenig bergauf geht es.
Das macht Christa Reuter aber nichts aus, sie erzählt munter, ohne dass ihr der Atem ausgeht. „In der Stadt habe ich als Kind gewohnt. Ich bin in Siegen geboren und aufgewachsen. Wir haben erst sogar mitten in der Stadt gewohnt, später dann aber auf dem Berg, also am Rand.“ Jetzt, mit 56, wohnt sie schon seit über 30 Jahren auf dem Land, geht mit entschlossenen Schritten den Feldweg entlang.
Sie habe eine schöne Kindheit in der Stadt gehabt. Bis sie ihren damaligen Mann kennenlernte. Zusammen entschlossen sie sich zu einem Eigenheim. Das war 1982. „Als junge Familie haben wir einen erschwinglichen Bauplatz gesucht, und das ist in Siegen ja nicht so möglich“, erklärt sie. Zwei Arbeitskollegen hatten zu dieser Zeit in Irmgarteichen gebaut. „Da haben wir erst gesagt“, Claudia Reuther stockt kurz und seufzt, „das ist aber weit draußen, mh?“ Der Gedanke an die Kinder, die sich auf dem Land besser bewegen könnten, gab den Ausschlag. Dass es Irmgarteichen wurde, dass war nur ein Zufall.
Per Zufall in Irmgarteichen
„Wenn es woanders gewesen wäre, dann wäre es woanders gewesen. Im Nachhinein haben wir es nie bereut“, sagt Christa Reuter lapidar und bleibt stehen. Rechts liegt ein Waldstück, links ganz Irmgarteichen. Ein wolkenloser Himmel erlaubt die Aussicht auf das gesamte Dorf, dahinter erkennt man noch Hainchen. „Wenn wir mal spazieren gehen, dann gehen wir hier den großen Bogen herum, am Waldrand vorbei Richtung Hainchen, dann ist man so anderthalb Stunden unterwegs“, sagt sie und zieht mit der Hand einen großen Bogen.
Obwohl es sie nur zufällig in das kleine Dorf verschlagen hat, würde Christa Reuter nicht mehr tauschen wollen. „Wir hatten hier eine tolle Nachbarschaft. Damals waren da viele junge Familien, weil das ein Neubaugebiet war. Wir haben uns direkt wohl gefühlt“, beschreibt sie die erste Zeit in der neuen Heimat. Die Gemeinschaft im Dorf sei eng verwachsen. Das Prinzip „Jeder kennt jeden“ eben.
„Man nimmt Päckchen füreinander an, achtet aufeinander. Wenn bei einem abends das Garagentor aufsteht, dann ruft man eben noch mal an und sagt Bescheid“, fasst sie das Gemeinschaftsgefühl, in dem sie lebt und das sie liebt. In der Großstadt gehe dieses Gefühl verloren, man kenne seine Nachbarn nicht, obwohl man im selben Haus lebe. Dabei sei ihr das Gemeinschaftsgefühl wichtig.
Das betont sie, während sie sich auf die lange Bank setzt, die Beine entspannt überkreuzt und auf das Dorf hinabblickt, in dem sie zu Hause ist, der Ort, in dem sie sich wohlfühlt.
Eine gute Nachbarschaft
„Ich muss eine gute Nachbarschaft haben, ich muss mich wohlfühlen, meine Familie muss sich wohlfühlen“, sagt sie. Christa ist ein familiärer Mensch, erzählt viel von den zwei Söhnen und der Tochter, die alle studiert haben. Einer wohne in München, aber zum Glück gebe es das Internet, über das man Fotos hin und her schicke, um auf dem Laufenden zu bleiben. „Meine Kinder sind hier geboren, aufgewachsen. Für die war das toll hier zu spielen, auf Bäume zu klettern, auf der Straße Inliner zu fahren.“
Die ganze Familie engagierte sich in Vereinen. Gut 13 Jahre lang war Christa Reuter Übungsleiterin für das Mutter-Kind-Turnen und danach für das Kinderturnen. Bis zum Frühjahr gab es in Irmgarteichen einen Eine-Welt-Laden, auch da wirkte sie mit. Ehrenamtlich engagiert sie sich für die Indienhilfe. Ihre Kinder spielen in Sportvereinen.
„Wenn man sich abschottet, bekommt man keinen Kontakt zur Gemeinschaft“, sagt Christa Reuter. Noch immer liegt ihr Blick auf Irmgarteichen und den Feldern ringsherum. An etwas Besonderes kann sie sich auf Anhieb nicht erinnern. Sie überlegt lange. Seufzt. „Etwas Besonderes kann ich nicht erzählen. Das ganz normale Leben, das war immer toll.“
Artikel und Foto: Jana Naima Fischer | WAZ.de – Lesen Sie mehr auf: http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-siegen-kreuztal-netphen-hilchenbach-und-freudenberg/stadtkind-entdeckt-liebe-zum-land-id10541287.html#plx474880995